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.« [35] Wir wollen noch an die Ghetti der Juden erinnern, die vor den großen Judenverfolgungen des Mittelalters nichts anderes waren als solche geschlossenen Kaufmannskolonien; und wollen darauf aufmerksam machen, daß auch heute noch die europäischen Kaufleute in den Küstenstädten stärkerer exotischer Reiche ganz ähnliche »conventus« mit eigener Verfassung und (Konsular-) Gerichtsbarkeit bilden; China muß das noch heute dulden, ebenso Marokko usw., während Japan und die Türkei erst kürzlich diese diminutio capitis haben abschütteln können.[S.78] Für unsere Betrachtung ist an diesen Kolonien das Interessanteste, daß sie überall die Tendenz haben, ihren politischen Einfluß bis zur vollen Herrschaft auszudehnen.Das hat nichts Erstaunliches.Die Kaufleute haben einen Reichtum an beweglichen Gütern, der durchaus geeignet ist, in den politischen Wirren, denen alle Eroberungsstaaten fortwährend ausgesetzt sind, entscheidend einzuwirken, sei es bei internationalen Fehden zwischen zwei Nachbarstaaten, sei es bei innerstaatlichen Kämpfen, z.B.um die Thronfolge.Dazu kommt, daß hinter den Kolonisten häufig die starke Macht ihres Muttervolkes steht, auf die sie sich verlassen können, weil verwandtschaftliche Bande und ungemein starke kommerzielle Interessen sie verbinden, und daß sie selbst in ihrem krieggewöhnten Schiffsvolk und ihren zahlreichen Sklaven häufig eine für die kleinen Verhältnisse bedeutende Eigenmacht ins Feld stellen können.Die folgende Schilderung der Rolle, die arabische Kaufleute in Ostafrika gespielt haben, scheint mir einen bisher viel zu wenig beachteten geschichtlichen Typus darzustellen:»Als Speke 1857 als erster Europäer diesen Weg machte, waren die Araber Kaufleute, die als Fremde im Lande wohnten; als er 1861 denselben Weg zum zweitenmal betrat, glichen die Araber schon großen Gutsherren mit reichem Landbesitz und führten Krieg mit dem angestammten Herrscher des Landes.Dieser Prozeß, der sich ja auch in manchen anderen Ländern Innerafrikas wiederholt hat, ergibt sich mit Notwendigkeit aus den Verhältnissen.Die fremden Kaufleute, Araber und Suaheli, bitten um die Erlaubnis des Durchzuges, wofür sie zollen, gründen Warenlager, die den Häuptlingen genehm sind, weil sie ihrer Erpressungssucht und Eitelkeit zugute zu kommen scheinen, bereichern sich dann und erwerben Verbindungen, machen sich hierdurch verdächtig, werden gedrückt und verfolgt, weigern sich, die mit dem Wohlstand gestiegenen Zölle und Steuern zu zahlen; endlich ergreifen die Araber bei einem der unvermeidlichen Thronstreite Partei für einen Prätendenten, der ihnen fügsam zu sein verspricht, und werden dadurch in die inneren Streitigkeiten des Landes gezogen und in oft endlose Kriege verwickelt.« [36]Diese politische Tätigkeit der kaufmännischen Metöken ist ein immer wiederkehrender Typus.»Auf Borneo erwuchsen aus den [S.79] Ansiedlungen chinesischer Goldgräber eigene Reiche.« [37] Und die ganze europäische Kolonisationsgeschichte ist eigentlich nur eine einzige Reihe von Beispielen für das Gesetz, das bei irgend überlegener Macht der Fremden aus Faktoreien und größeren Niederlassungen Herrschaft entstehen läßt, wenn sie nicht dem ersten Typus der einfachen Piraterie näherstehen, wie die spanisch-portugiesische Konquista und die Eroberungen der ostindischen Kompagnien, der englischen so gut wie der holländischen.»Es liegt ein Raubstaat an der See, zwischen dem Rheine und der Schelde«, klagt Multatuli sein Vaterland an.Alle ostasiatischen, amerikanischen und afrikanischen Kolonien aller europäischen Völker sind nach einem der beiden Typen entstanden.Nicht immer kommt es zur unbedingten Herrschaft der Fremden.Zuweilen ist der Gaststaat zu stark, und sie bleiben politisch ohnmächtige Schutzgäste: so z.B.die Deutschen in England.Zuweilen erstarkt der schon unterworfene Gaststaat so sehr, daß es ihm gelingt, die Fremdherrschaft abzuschütteln: so z.B.verjagte Schweden die Hansa, die ihm schon die Herrschaft auferlegt hatte.Zuweilen kommt ein stärkerer Eroberer über Kaufmannskolonie und Gaststaat und unterwirft beide: so z.B.machten die Russen den Republiken von Nowgorod und Pskow ein Ende.Häufig aber verschmelzen die fremden Reichen mit den einheimischen Edlen zu einer Herrenklasse, nach dem Typus, den wir auch bei der Landstaatenbildung dort auftreten sahen, wo zwei ungefähr gleich starke Herrengruppen zusammenstießen.Und dieser letztgenannte Fall scheint mir für die Genesis der wichtigsten Stadtstaaten des Altertums, für die griechischen Seestädte und für Rom, die wahrscheinlichste Annahme.Wir kennen die griechische Geschichte, um mit Kurt Breysig zu reden, nur von ihrem »Mittelalter«, die römische gar nur von ihrer »Neuzeit« an.Auf das, was vorher liegt, dürfen wir nur mit äußerster Vorsicht Analogieschlüsse wagen.Es will mir aber scheinen, als seien Tatsachen genug verbürgt, die den Schluß zulassen, daß Athen, Korinth, Mykene, Rom usw.nach der hier geschilderten Weise zu Staaten geworden sind, selbst wenn die uns bekannten Daten aus aller bekannten Völkerkunde und Geschichte nicht von solcher Allgemeingültigkeit wären, daß sie den Schluß an sich gestatteten.Wir wissen genau aus Ortsnamen (Salamis: Insel des Friedens = Marktinsel), [S.80] aus Heroennamen, aus Baudenkmälern und aus unmittelbarer Ãœberlieferung, daß in vielen griechischen Hafenstädten phönikische Faktoreien bestanden, deren Hinterland von kleinen Feudalstaaten der typischen Gliederung in Edelinge, Freie und Sklaven eingenommen war.Mögen einzelne phönikische, vielleicht auch einige der noch ziemlich rätselhaften karischen Kaufleute in das Konnubium der Edlen aufgenommen worden und zu Vollbürgern oder gar zu Fürsten geworden sein oder nicht -, daß die Ausbildung dieser Stadtstaaten durch die fremden Einflüsse mächtig gefördert wurde, kann gar nicht ernsthaft bestritten werden.Dasselbe gilt von Rom.Hören wir, was ein so vorsichtiger Autor wie Mommsen darüber sagt:»Daß Rom, wenn nicht seine Entstehung, doch seine Bedeutung diesen kommerziellen und strategischen Verhältnissen verdankt, davon begegnen denn auch weiter zahlreiche Spuren, die von ganz anderem Gewicht sind, als die Angaben historisierter Noveletten.Daher rühren die uralten Beziehungen zu Cäre, das für Etrurien war, was für Latium Rom, und denn auch dessen nächster Nachbar und Handelsfreund wurde; daher die ungemeine Bedeutung der Tiberbrücke und des Brückenbaues überhaupt in dem römischen Gemeinwesen; daher die Galeere als städtisches Wappen
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