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.»Und jetzt ergießensich auch noch die Buchstabenlawinen der Inter-net-Erzählungen auf uns«, sagte sie seufzend.»Leute, ichmuss sofort ins Bett.«Paula zog das ausgedruckte Drehbuch, das das Produk-tionsbüro ihr am Nachmittag geschickt hatte, vom Wohn-zimmertisch zu sich heran.Sie wollte vor dem Schlafengehennoch einen Blick hineinwerfen.Sandra streckte sich und wünschte eine Gute Nacht.»Ichmache morgen Vormittag mit Manuel einen Spaziergangdurch Charlottenburg.Vielleicht gibt es einen Spielplatz inder Nähe.«»Ich bin morgen früh sicher schon in der Klinik, wenn ihraufsteht«, sagte Jonas.»Aber hier ist meine Handynummer,falls ihr irgendetwas braucht, während Paula auf der Jagdnach den Bösen ist & « Er machte ebenfalls Anstalten, insBett zu gehen.Sein Wecker würde um halb sechs klingeln,der Dienst in der Klinik begann um sieben Uhr.»Bleib auchnicht mehr so lange auf«, sagte er zu Paula und legte ihr zärt-lich die Hand auf die Schulter.»Nein, nein, ich will nur schnell das Drehbuch hier durch-blättern & «, antwortete sie.Sie hatte ihr Glas nochmals ge-füllt und nahm die erste Seite des dicken Papierstapels zurHand.Sie bemerkte, dass darauf der Name der Filmproduk-tion auffällig groß und der Name des Autors ziemlich kleingedruckt war.Die zahlreichen neuen Informationen, die sieim Laufe des Tages über die Herstellung von Filmen gesam-melt hatte, kamen ihr in den Sinn.Ein Laie, der zum erstenMal an ein Filmset kam, wunderte sich bestimmt über dievielen Menschen, die dort anscheinend mehr oder wenigertatenlos herumstanden.Doch jeder von ihnen hatte eine klarumrissene Aufgabe, die er eigenverantwortlich ausführenmusste.Alle Tätigkeiten griffen wie kleine Zahnrädchen in-einander, jeder Film war Teamwork.Also waren nicht nurProfessionalität und Disziplin gefragt, sondern auch Kommu-nikationsbereitschaft der Einzelnen untereinander.Paula ordnete die Notizen des Tages und wandte sich dannden ersten Szenen des Drehbuchs zu.Nach einer guten Stundeseufzte sie laut.Die Lektüre war überaus ermüdend, und dieGeschichte erinnerte sie an einen Liebesfilm, den sie schonmal gesehen hatte.Sie wusste erst nicht mehr, wann und wo,aber schließlich fiel ihr ein, dass es ein Klassiker mit MerylStreep gewesen war, den sie im Nachtprogramm verfolgt hat-te.Allerdings hatte sie den Film spannender und origineller inErinnerung als das, was sie hier in den Händen hielt.DiesesDrehbuch wirkte wie ein schaler Aufguss des Originals, ir-gendwie krampfhaft mit dem sogenannten Zeitgeist versehen.Gegen eins machte Paula endlich das Licht im Wohnzim-mer aus, ging ins Bad und schlüpfte dann zu Jonas unter dieDecke.An seinen Rücken gekuschelt schlief sie sofort ein.In der Nacht träumte sie, sie sei ein kleines Mädchen undhätte beim Spielen die Zeit vergessen.Ihre Mutter wartete aufsie.Als sie nach Hause lief und in die Straße einbog, in der siewohnten, sah es genauso aus wie immer.Sie lief auf den Ein-gang zu, doch mit einem Mal wurde sie von Panik erfüllt.DasHaus war spurlos verschwunden.Es fehlte einfach.KeineTrümmer, keine Lücke.Nichts.Die beiden Nebenhäuser linksund rechts waren nahtlos aneinandergerückt, auch der kleineVorgarten war verschwunden.Dann plötzlich sah Paula sicham Ufer eines großen Gewässers stehen.Sie hatte zwei langeHolzstöcke in den Händen, auf die ihre Augen gespießt wa-ren.Blind befühlte sie das Holz und merkte, wie die Stäbesich in glitschige fette Würmer verwandelt hatten.Voller Ekelwarf sie sie ins Wasser, aber statt Wasserplatschen hörte siegenüssliche Kau- und Schmatzgeräusche von unzähligenWürmern, die sich unter und neben ihr am Ufer schlängelten.Als sie am nächsten Morgen aufwachte und wie betäubtdalag, klangen die Bilder des Traums noch in ihr nach wie einunheimliches Echo.Mit einem Ruck setzte sie sich im Bettauf.Durch die offene Badezimmertür konnte sie Jonas sehen,der munter beim Zähneputzen im Bad auf und ab lief.Als ersah, dass sie wach war, nahm er die Bürste aus dem Mundund kam zu ihr.»Was ist? Hast du wieder schlecht geträumt?« Er selbstträumte nie.Als sie ihm ein paar Details erzählte, tröstete er sie.»Meinarmer Liebling! Dass du im Schlaf alle Ekligkeiten wieder-käust, die du tagsüber bei deinen Mordfällen aufliest, ist keinWunder.Du musst mehr Distanz zu deinen Fällen gewinnen,besonders zu diesem.«»Das wird nicht funktionieren.Bei mir gibt es nur entwe-der ganz oder gar nicht.Erklär mir lieber, was das alles be-deuten soll.«»Leider war ich nie gut in Traumdeutung«, sagte er grin-send.»Ich glaube an das, was meine Oma immer gesagt hat:Träume sind Schäume.Aber Tante Traude hat ihre nächtli-chen Abenteuer mit ihrem altägyptischen Traumbuch gedeu-tet, das vom exzessiven Gebrauch schon völlig zerfleddertwar.Vielleicht sollte ich dir so ein Buch schenken?«Kampflustig richtete Paula sich auf, doch bevor sie ihm dasKissen an den Kopf werfen konnte, war Jonas bereits zurückins Badezimmer geflüchtet und hatte die Tür hinter sich zu-gezogen.9In der Besprechung um halb neun ging es hektisch zu.DaZimmer 312 das größte Büro war, stand hier der lange Tisch,an dem Paulas Team zu Besprechungen zusammenkam.Eigentlich war es das Büro von Herbert Justus und MaxJahnke, dem Dienstältesten und dem Jüngsten.Manche Kol-legen aßen hier auch zu Mittag, weil es in der Keithstraßekeine Kantine gab.Kein Wunder also, dass der Raum immerunordentlich aussah.Dieses »Chaos des Westens«, wie derEx-Ossi Herbert es nannte Fünf-Minuten-Terrinen, Kaffee-pulver, Würfelzucker und angebrochene Milchtüten nahm erdennoch hin, weil er gern Gesellschaft hatte.Paula wünschte allen einen Guten Morgen und nahm amKopfende Platz, zwischen dem kräftigen Tommi Blank zurLinken und der Bohnenstange Max Jahnke zur Rechten.Diebeiden waren ziemliche Gegensätze.Der über zwei Metergroße und spindeldürre Max war äußerst introvertiert, gera-dezu schüchtern, dafür ein Ass am Computer.Der sportlicheTommi war am liebsten mit Paula draußen »auf Kontroll-gang«, wie er das nannte, oder auch bei Zeugenbefragungendabei.Gegenüber saß Marius, bereits jetzt im Frühjahr leichtgebräunt, weil er das ganze Jahr über Kajak fuhr und erst vorKurzem seinen Jahresurlaub auf den Balearen verbracht hatte
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